this post was submitted on 26 Feb 2024
168 points (97.7% liked)
Deutschland
6708 readers
1 users here now
Sammelbecken für deutsche Kartoffeln und ihre Geschichten über Deutschland.
Nicht zu verwechseln mit !dach und !chad.
Regeln
- Seid nett zueinander.
- Schreibt hier Beiträge, die ganz Deutschland betreffen, nicht nur einen kleinen Teil
- Sinnlose Provokationen ohne Inhalt werden gelöscht
- zusätzlich: alle Regeln, die ihr auf Feddit.de in der Sidebar lesen könnt.
Bundesländer:
founded 3 years ago
MODERATORS
you are viewing a single comment's thread
view the rest of the comments
view the rest of the comments
Das ist korrekt und ist doch genau der Punkt des ganzen Fadens hier. Die SPD verschiebt mit ihrer bedienung des AfD Narrativs "der Staat funktioniert nicht" den Diskurs in diese Richtung. Sie selber sagt nichts faschistisches, aber macht faschistisches sagbarer.
Das Sache ist doch, dass das Problem ein Scheinproblem ist. Es gibt nichts in großem Stil abzuschieben. Das "große Abschieben" waren nach massiven Ausweitungen der Befugnisse der Behörden wenige hundert Menschen mehr im Jahr.
Diese völligen Selbstverständlichkeiten so zu äußern wie die SPD sie äußert suggeriert, dass diese Selbstverständlichkeiten momentan nicht umgesetzt würden. Und dass es deshalb Handlungsbedarf gäbe. Und wenn das in der Aussenwirkung sogar "die linken" von der SPD sagen, dass noch nicht genug getan wird, dann denkt die mitte "Ja gut, dann müssen wohl noch mehr verschärfungen her"
Wie gesagt, ich bin nicht OP. Über den Begriff darfst du dich mit tryptaminev streiten.
Ob man in Klingbeils “Der Staat muss funktionieren, wenn es darum geht, Menschen, die nicht bei uns bleiben können, zurückzuführen.” jetzt gleich das AfD-Narrativ eines dysfunktionalen Staates sehen muss, weiß ich nicht. Es geht doch eher darum, nüchtern Dinge ansprechen zu können, die momentan eben nicht so funktionieren wie sie sollten. Auch in so einem hochemotionalisierten Thema wie Asyl. Und ich sehe auch nicht, dass so etwas faschistisches sagbarer macht. Es ist ja nicht "radikaler" von der SPD, den Wunsch zu äußern, dass de jure und de facto wieder näher aneinander geführt werden.
Umgekehrt finde ich, dass Populisten wie in der AfD ihre vergiftenden Narrative oft auf ein kleines Stück Restwahrheit aufbauen. Gerade deshalb sollten normale Parteien ihnen nicht den Raum überlassen und beispielsweise Schwächen in unserem Asylsystem auch dann benennen, wenn es nicht um "hunderttausende Abschiebe-Ausländer" geht, die "endlich nur mal einer aus dem Land schmeißen".
Asyl und insbesondere Abschiebungen sind ein komplexeres Thema als es sich Boulevard und Stammtisch vorstellen mögen und ich bin auch ganz bei dir, dass das jetzt wahrscheinlich eher nicht das allergrößte Problem ist, das unser Land momentan hat. Und doch ist es sowohl besser für die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Systems als auch fairer für die Betroffenen, für die dieses System existiert, dass der Staat hier hohe Ansprüche an sich stellt.
..was aber eher daran liegt, dass mit ein paar "billigen" Maßnahmen aus der Hauruck-Kiste keine wirklichen Veränderungen herbeigeführt werden können als dass es keine Kandidaten mehr gäbe, die eigentlich ausreisen müssten.
Diesen Wunsch zu äußern impliziert, dass de Jure und de Facto weit genug auseinanderliegen, dass man diesen Wunsch so stark spürt, dass man ihn auf einer Pressekonferenz als Leitthema erwähnen muss. Dazu fehlt mMn die faktische Grundlage. Das Gefühl, dass der Abstand existiert wird insbesondere von der AfD genutzt. Aufgabe der SPD wäre die Faktenlage stärker ins Lampenlicht zu rücken um diesem Gefühl etwas entgegen zu setzen.
Den Staat als dysfuntkional zu framen finde ich ziemlich weit davon entfernt Schwächen im Asylsystem zu benennen.
Eine andere Vorgehensweise steht aber nicht im Raum, von keiner Seite (korrigier mich gerne wenn das falsch ist). Will man alle "Kandidaten" ausfindig machen müssen die Rechte der Kandidaten (UND derjenigen die mal zu solchen "Kandidaten" werden könnten, z.B. auf Zeit geduldete) massiv bzw noch massiver eingeschränkt werden. Und das alles um irgendwas in der Größenordnung von 50.000 Menschen aus dem Land zu werfen. Gegenüber 300.000 Geduldeten. Selbst mit einer 100% "Erfolgs"quote würde sich die Menge Menschen die wir beherbergen nur um 1/6 verkleinern. Das ist nicht nichts aber es rechtfertigt mMn in keiner Weise die Einschnitte die wir vorgenommen haben und auf gar keinen Fall noch weitere.
Das ist auch ein Gefühl, was du im "Bauch der Gesellschaft" oft wiederfindest. Wie vorhin gesagt: die AfD kann ganz gut auf diese kleinen Fragmente der Empfindungen aufbauen, um dort ihre Narrative einzunisten. Klingbeil ändert ja aufgrund dessen nicht fundamental seine Meinung, sondern wiederholt lediglich den längst existenten Anspruch, den dieses System bereits heute umfasst. Ob jetzt de jure und de facto weit genug auseinanderliegen, um diese Prominenz zu rechtfertigen, darüber kann man im Zweifel ewig streiten, da es rein subjektiv ist. Aus meinem eigenen erweiterten Umfeld kann ich aber sehen, dass es Leute gibt, für die das ein Thema ist und der Zulauf der AfD stimmt mich da auch eher vorsichtig.
Ja das sage ich ja.
Auch da kann man ewig streiten, da subjektiv. Das Gefühl, 50.000 Leute zu Unrecht und (entschuldige bitte, aber das ist echt immer das Wort, was mir aus diesen Kreisen diesbezüglich um die Ohren geworfen wird) unkontrolliert im Land zu haben, kann genug sein, um die Meinung im Volk diesbezüglich zum Kippen zu bringen. Um dieses Thema gesellschaftlich zu befrieden, brauchen wir eine breite Auseinandersetzung in dieser Gesellschaft, in der klar definiert und abgenickt wird, was für ein System mit welcher Schärfe wir uns vorstellen.
Die AfD war eigentlich schon wieder am verschwinden, da kam 2015 die "FlÜcHtLinGsKrISe!" Erinnerst du dich, wie unser Land gerade so dem Abgrund entkommen ist angesichts dieser unglaublichen Invasion? Ja, ich auch nicht. Ich fand Merkels Ansatz damals grundsätzlich richtig, aber er war scheiße (nämlich eigentlich gar nicht) kommuniziert. Und so hat diese gefühlte Katastrophe trotzdem real dazu geführt, dass wir heute eine fest verankerte Partei voller Faschisten und anderem **** haben, die das Brecheisen an unser Land/System/Gesellschaft legen wollen. Weil "wir" letztendlich ein bisschen zu sehr das emotionale vernachlässigt haben und zu sehr auf ratio gesetzt haben.
Aber genau das ist es doch. Durch die ständige Thematisierung des Flüchtlingsthemas in der Öffentlichkeit von mehr als nur der AFD ist das überhaupt so "oft im Bauch der Gesellschaft". Klar die AFD und irgendwelche Rassisten wirst du nie davon abhalten können gegen Flüchtlinge zu hetzen, aber deswegen müssen ja nicht die anderen Parteien mit dem level an öffentlicher Aufmerksamkeit auf den Zug aufspringen. Und das ganze dann entgegen der Faktenlage als eines der wichtigsten Probleme der Gesellschaft zu stilisieren.
Das stimmt, aber bei Klingbeils Aussage und vor allem dem Zeitpunkt im Jahr 2024 würde ich sagen, dass sie nicht die Empfindungen der Gesellschaft vorgibt, sondern ihr folgt. Das Narrativ eines nicht richtig funktionierenden Asylsystems ist längst da. Und darauf reagiert er.
Ich nehme an, dass du mich absichtlich falsch verstehst, ich werde es trotzdem nochmal sagen: Klingbeil benennt kein Problem im Asylsystem, er folgt dem AfD Narrativ eines dysfunktionalen Staates.
Große Zahlen ohne Kontext in den Raum zu werfen ist halt Angstmache pur. Um zu bewerten wie nützlich eine Maßnahme ist braucht es eigentlich immer relative Zahlen. Die Auseinandersetzung muss sich um Fakten drehen um die Emotionen beruhigen.
Hier stimme ich zu. Kommunikation ist sehr wichtig. Ich lehne aber den Ansatz des Populismus als Waffe gegen den Populismus ab.
Auf den Rest hat Arbic ganz gut geantwortet, dem hab ich nichts hinzuzufügen
Nee, tue ich nicht. Ich habe nur nicht gedacht, dass du in Klingbeils Aussagen den Subtext eines "dysfunktionalen Staates" auf AfD-Niveau siehst. Meinst du nicht, dass das bei aller Kritik etwas weit hergeholt ist?
Auch, ja. Aber trotz aller Fakten und der jeden Tag live erlebten Realität, dass Deutschland dennoch immer noch nicht untergegangen ist, hat 2015 bei erstaunlich vielen Leuten einen offenbar nachhaltigen Schaden verursacht. Du sprichst von Angstmache und ich denke, da steckt tatsächlich eine ganze Menge Angst drin und die ist in den seltensten Fällen rational. Trotzdem sollte auch eine normale Partei diese Angst so adressieren, dass sich ein "Angsthase" gehört fühlt. Tut sie es nicht, haben wir diese Wahlprognosen wie im Osten Deutschlands, wo uns ganze Regionen drohen zu entgleiten. Du siehst ja auch an einer Populistin wie Wagenknecht, dass das Bewusstsein für das Spannungsfeld in diesem Thema offenbar erkannt und gemolken wird. Und bevor wir immer mehr Wähler an solche Populisten verlieren, ist es mir lieber, wenn ein Typ wie Klingbeil als Alternative den Status quo verteidigt, verbunden mit dem Anspruch, dass dieser "besser" gelebt werden soll als in der Vergangenheit. Es ist das Versprechen nach einer "Veränderung", die offenbar gewünscht ist, ohne aber den Status quo für eine der absurden Fundamentallösungen der populistischen Ränder aufzugeben.
Aber doch nicht in einer einer Form die diese irrationale Angst bestätigt.
Das Problem ist aber, dass er, genau wie die AfD und andere Populisten, eine Veränderung verspricht die nicht eintreten kann. Damit treibt man doch gerade mehr Leute in die Politikverdrossenheit.
Nein, aber in einer Form, die diese Angst adressiert. Wenn du als Politiker sagst: diese Angst ist Unfug, überzeugst du denjenigen nicht, sondern entfremdest ihn höchstens. Wenn du als Politiker sagst: ich verstehe, dass so etwas Angst machen kann, unser Ansatz hier ist xyz, dann kann der Betroffene damit arbeiten.
Ob ich das so kategorisch unterschreiben würde, weiß ich nicht. Es ist ja Luft nach oben. Das ist natürlich nicht mit markigen Sprüchen getan und am Ende geht es auch nicht um die Hunderttausenden, die manchen vielleicht vorschweben, aber warum nicht ganz nüchtern und transparent den ganzen Vorgang mal analysieren, um offenzulegen, was wie abläuft, wo was hakt, was es bspw. mit Hinderungsgründen für Abschiebungen auf sich hat, usw. Also das Gegenteil vom Mantra der AfD. Haube auf und zeigen, dass der Staat funktioniert. Wenn du frei und offen über dieses System, diese Mechanismen redest, sowohl über Stärken als auch Schwächen des Systems, dann nimmst du mMn so Typen wie der AfD den Raum, gefühlte Wahrheiten in eher diffuse Räume reinzuraunen.
Genau das passiert aber nicht. Es wird von "im großen Stil abschieben" und "der Staat muss funktionieren" geredet. Es wird nicht gesagt "Es geht um 50.000 Menschen". Es wird auch nicht gesagt, dass es mit schärferen Regeln fast ausschließlich Menschen trifft die nicht untertauchen können: Familien mit Kindern. Leute die in irgendeiner Form Verpflichtungen eingegangen sind und damit Verantwortung für irgendwas übernommen haben: Vereine, Ehrenamt, etc etc.
Stattdessen wird eben das Mantra der AfD mehr wiederholt, als dass es widerlegt wird.