In Thüringen tritt Neonazi Tommy Frenck bei der Landratswahl in Hildburghausen an, offiziell zugelassen. Wie wehrhaft ist die Demokratie im Kommunalen?
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Vor der Wahlzulassung von Frenck hatte das Bündnis von Thomas Jakob zusammen mit dem Kampagnennetzwerk Campact erfolgreich eine Petition initiiert, die den bisherigen Landrat aufforderte, dem Kreiswahlausschuss Verfassungsschutzinformationen auszuhändigen, um eine „sachgerechte“ Entscheidung über die Kandidatur des 37-Jährigen zu ermöglichen. Mehr als 8.000 Unterschriften kamen zusammen.
Tatsächlich erhielt der Wahlausschuss am Ende ein siebenseitiges Dossier, es wurde den Mitgliedern allerdings erst kurz vor der Abstimmung in der öffentlichen Sitzung überreicht. Am Ende setzte sich der Ausschuss mit drei zu zwei Stimmen über die Bedenken hinweg. „Erschrocken“ über das Ergebnis sei er gewesen, sagt Bernd Ahnicke. Der 77-jährige Rentner sitzt im Hildburghäuser Kreisvorstand der Linken und stimmte im Wahlausschuss gegen Frenck. Das grüne Licht für die Kandidatur durch zwei CDU-Leute plus den Kreiswahlleiter kann sich Ahnicke nur damit erklären, dass diese immer noch „nicht gewusst haben, wen sie vor sich haben“.
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„Ich habe die Sorge, dass längst eine Gewöhnung im Landkreis eingetreten ist“, sagt Thomas Jakob. Frenck sitzt seit den vergangenen Kommunalwahlen bereits im Kreistag, ohne dort groß in Szene getreten zu sein. Der Thüringer Verfassungsschutz schreibt in seinem Bericht 2022 zu Frenck, dass dieser sich „überwiegend als Regionalpolitiker, Unternehmer, Gastwirt und Wohltäter“ präsentiert. Jakobs Eindruck ist: „Viele hier denken: Na ja, so ist er halt, der Tommy.“ Für ihn hätte Frenck nicht zur Wahl zugelassen werden dürfen. Jakob verweist auf einen Passus im Thüringer Kommunalwahlgesetz, der es Kandidaten verbietet, Landrat zu werden, wenn sie nicht für die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung eintreten. „Es geht halt nicht.“
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Doch wie sollte eine Demokratie mit offensichtlichen Verfassungsfeinden umgehen? Fragt man das Michael Brenner, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena, hat er eine klare Antwort: „Sie sollte Extremisten die zulässigen und verfassungsmäßigen Zähne zeigen.“ Dazu gehörten auch Nichtzulassungen bei Wahlen, so Brenner. „Beschränkungen des Wahlrechts sind durchaus zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des öffentlichen Wohls gefordert sind.“ Dabei genüge es aber nicht, dass sich jemand kritisch zur Gesellschaftsordnung äußert oder zu einer rechtsextremen Partei gehört. „Da muss sehr viel hinzukommen.“
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Mittlerweile hat die SPD Erfurt den Beitrag gelöscht. In einem neuen argumentiert sie, dass allein die Zugehörigkeit zu einer rechtsextremen Partei nicht genüge. Dem hält Stephan Kramer, Präsident des Verfassungsschutzes in Thüringen und selbst SPD-Mitglied, von seinem privaten Account entgegen: „Der Kandidat wird schon im Verfassungsschutzbericht 2021 namentlich im Kapitel Rechtsextremismus erwähnt. Wenn das nicht für den Nachweis der ‚individuellen Verfassungsfeindlichkeit‘ reicht, was dann?“
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Zu einer Normalisierung trage der Weg trotzdem bei, warnt die Grüne Madeleine Henfling. Die Verfassungsfeinde könnten so schon im Wahlkampf ihre Propaganda und Ideologie verbreiten – wie derzeit Tommy Frenck mit seinen Plakaten in Hildburghausen.