this post was submitted on 04 Aug 2024
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Es gibt im wesentlichen zwei Arten von Kanalisationsystemen. Mischsysteme, in denen Regen mit in die Schmutzwasserkanalisation fließt und von dort aus aufs Klärwerk, und Trennsysteme, wo Regen und Schmutzwasser getrennt sind. In Trennsystemen wird das Regenwasser regelmäßig nicht auf normale Klärwerke geleitet, sondern in eigenen Kläranlagen (die deutlich einfacher sind) vom Straßendreck gereinigt.
Alle alten Systeme (bis ca. 1950er Jahre) in Europa sind Mischsysteme. Diese haben "Notauslässe".. Bevor das Gemisch aus Regen und Schmutzwasser überläuft, läuft es da ungereinigt ab, i.d.R. in den nächsten Fluss, in Paris also die Seine. Auf dem Klärwerk landet dieses Mischwasser nie.
Es gibt aber auch die Situation, dass auf dem Klärwerk so viel Wasser ankommt, dass es nicht mehr auf die übliche Reinigungsrate gereinigt werden kann. Dafür ist der wesentliche Punkt die Verweilzeit in der Anlage. Fließt mehr Wasser, fließt es schneller und weniger Stoffe können sedimentieren bzw. von den Mikroorganismen abgebaut werden.
Das zu unterscheiden ist wichtig, weil die beiden Effekte unterschiedliche Lösungen brauchen. Es bringt nichts, die Kapazität auf dem Klärwerk auszubauen, wenn das Mischwasser schon in der Stadt überläuft, weil die Leitungen und Pumpen das garnicht transportieren können. Und das nachzurüsten ist richtig richtig teuer und setzt voraus, die gesamten Straßen nach und nach aufzureißen, neue Kanäle zu legen, neue Pumpwerke, Regenrückhaltebecken und und und zu bauen.
In aller Regel ist der Umbau der Kanalisation der Knackpunkt und nicht der Ausbau der Klärwerkskapazitäten, da die Klärwerke meist so geplant wurden, dass man noch Ausbauflächen hat.
Es muss bedacht werden, dass sowohl die Kanalisation, als auch Klärwerke in Unterlast ungünstig sind, weil die Kanalisation dann leichter verstopft und zu Geruchsbildung neigt und auf den Klärwerken, weil dann der Ressourceneinsatz ineffizient ist, und die Reinigungsleistung im Regelbetrieb leidet.
Die einzige zuverlässige Lösung ist das Ersetzen der Misch- durch Trennsysteme. Das sind in ihrer Gesamtheit Sanierungsmaßnahmen, die für eine Großstadt wie Paris in den dutzenden Milliarden liegen dürften, und auch bei Fokussierung Dekadenprojekte sind.
Zur Unterlast: in einigen ostdeutschen Dörfern ist durch Abwanderung so wenig los, dass die Neigung der Rohre zu gering ist und es verstopft. Wassersparende Klos und Duschen helfen auch nicht.
Also fährt regelmäßig ein Laster mit großem Wassertank ans letzten Ende der Rohre und kippt eine Ladung Wasser zum durchspülen durch.
Das war zumindest die Situation vor ca. 10 Jahren.
Das ist nicht nur in Kommunen mit Bevölkerungsrückgang so, durch den extremen Fokus auf Wassersparen und die Berechnung von Kanalgebühren für in die Kanalisation eingeleitetes Regenwasser (was dazu führt, dass Leute, die die Möglichkeit dazu haben, ihre Dach- und Flächenentwässerung umbauen und von der Kanalisation abklemmen) fließt auch an vielen Orten, wo die Bevölkerungszahlen stabil sind, oder sogar leicht wachsen, inzwischen so wenig Wasser durch die Kanalisation, dass man dort auch regelmäßig mit zusätzlichem Wasser durchspülen muss.
Aber Regenwasserzisternen sind doch gut! Dadurch geht wertvolles Regenwasser nicht verloren und geht in das Meer, sondern versickert ins Grundwasser, wo es als Trinkwasser gewonnen werden kann. Zusätzlich entlastet es bei Starkregen die Kanalisation.
Dass Abwasser den 3fachen Preis von Frisch/Trinkwasser bei mir in der Region hat, ist allerdings irgendwie absurd.
Manche Kommunalverwaltungen finden das auch und erheben unironisch Nutzungsgebühr für Regenwasser, auch wenn das nicht im Kanal landet.
Echt? Das halte ich als eine juristisch gewagte Konstruktion. Würde ich nicht bezahlen.
Kann man ja direkt Mehrwertsteuer auf die Tomatenaufzucht aufm Balkon erheben.
Gib denen bloß keine Ideen.
Nachtrag: Es stimmt nicht, dass in Deutschland nicht darüber gesprochen werden würde. z.B. gibt es in Berlin seit knapp einem Jahrzehnt eine Initiative, die einen Teil der Spree als Flussbad hergerichtet haben will. Das Problem dabei ist, dass die Investitionskosten bei ca. 10 Milliarden Euro liegen, um die Kanalisation um das Flussbad so zu verändern, dass es halbwegs sinnvoll betrieben werden könnte.
So oder so müssen die städtischen Kanalisationssysteme massiv modernisiert werden, um mit dem Klimawandel mit langen Dürreperioden und heftigen Starkregen klarzukommen. Deutschlandweit sprechen wir hier auch über Investitionen im hohem zweistelligem bis niedrigem dreistelligen Milliardenbereich.
Ja. Das sind halt richtig Kosten, dafür müssen die Straßen auf und ne zusätliche Kanalisation gelegt werden, an die dann die Entwässerungen angeschlossen werden müssen. Damit kann man in der Regel nicht in den kleinen Steitenstraßen anfangen, weil zuerst die Sammler gebaut werden müssen, wo die ganze Brühe hinläuft, sonst hätte man während der Bauzeit keinerlei positiven Effekt und müsste an Kreuzungen (da laufen die Kanäle üblicherweise zusammen) mehrmals umbauen, also die Straße mehrmals auf und dann wieder zumachen.
Alleine das Legen von zusätzlichen Kanalrohren kann schon zu einem Platzproblem führen, je nachdem, wieviele Leitungen schon in der Straße verlegt und wie die verteilt sind. Außerdem muss jeder Gulli an den Regenwasserkanal angeschlossen werden, und idealerweise in gleichen Zeitraum auch die Dach- und Flächenentwässerungen der Häuser (wenigstens sollte deren Anschluss vorbereitet werden), um zu vermeiden, dass man ein paar Jahre später gleich wieder die neu gemachten Straßen aufreißt, um die Gebäude anzuschließen.
..und wenn du dann ein Trennsystem aufbaust, gibt es immer noch Deppen, die das Schmutzwasser von Häusern irrtümlich an den Regenwasserkanal statt an den Schmutzwasserkanal anschließen.
Das ist ein nicht so seltenes Phänomen. Der Abfluss für das Regenwasser ist bisweilen schneller fertig und die Häuser werden für die Zeit während des Bauvorhabens, damit die Abflüsse im Haus schonmal für Schmutzwasser benutzbar sind, provisorisch an den Abfluss angeschlossen. Hinterher wird dann manchmal vergessen, die Abflüsse richtig anzuschließen, weil irgendwer mit dem Zuschütten der Gräben schneller war. In Malmö ist das in etwa so passiert. Dort floss dann das Abwasser einiger Wohnblöcke im Vorzeige-Neubauviertel Vestra Hamnen über mehr als 10 Jahre direkt in den Öresund. 2018 ist das dann aufgeflogen, als man festgestellt hat, dass die Wasserqualität an der nahen Badestelle im wahrsten Sinne beschissen ist und man sich auf Spurensuche begeben hat.
Danke für den interessanten Kommentar!