Dass ein Staat demokratisch ist, heiße leider nicht, dass er deswegen keine Kriegsverbrechen begehen kann, sagt der Völkerrechtler Kai Ambos.
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ZEIT ONLINE: Sie rechnen damit, dass die Haftbefehle erlassen werden?
Ambos: Das ist sehr wahrscheinlich, so sieht es eigentlich auch jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe.
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ZEIT ONLINE: Israel erkennt den Internationalen Strafgerichtshof gar nicht an, es hat die entsprechenden Verträge nie unterzeichnet. Wie kommt es dann doch zu diesen Haftbefehlen?
Ambos: Die Gerichtsbarkeit ergibt sich aus dem Tatort. Der Gazastreifen zählt zu Palästina, Palästina ist ein Staat im Sinne des Statuts des Gerichtshofs und hat sich durch den Beitritt seiner Jurisdiktion unterworfen. Damit ist der Gerichtshof für das gesamte Gebiet Palästinas, also neben Gaza auch Westjordanland und Ostjerusalem zuständig.
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ZEIT ONLINE: Was denn?
Ambos: Mich interessiert besonders, was die Bundesregierung jetzt sagt. Die müsste doch mal aus der Deckung kommen und sagen, wir unterstützen den ICC vorbehaltlos und schützen seine Integrität und Unabhängigkeit. Natürlich steckt die Bundesregierung da in einem Dilemma. Einerseits ist Deutschland nach den USA der zweitwichtigste Unterstützer Israels. Aber andererseits hat sich Deutschland immer zu den Prinzipien des Völkerstrafrechts bekannt, ist der zweitwichtigste Beitragszahler des ICC, tritt ein für die Verfolgung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine. Wenn wir jetzt nicht ohne Wenn und Aber zum IStGH stehen, liefern wir seinen Hauptgegnern, vor allem den Chinesen und den Russen, praktisch eine Vorlage, noch direkter gegen den ICC vorzugehen. Insoweit finde ich die Stellungnahme des Auswärtigen Amts enttäuschend.
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ZEIT ONLINE: Chefankläger Khan sagt, die Ermittlungen gingen weiter. Rechnen Sie damit, dass noch weitere Haftbefehle beantragt werden?
Ambos: Da kann man derzeit nur spekulieren, die Ermittlungen gehen jedenfalls weiter und der Krieg ja leider auch. Jetzt muss man erst mal abwarten und sehen, ob der Internationale Strafgerichtshof das durchsteht, was er gerade angefangen hat. Er hat Haftbefehle gegen den russischen Staatschef und gegen den israelischen Ministerpräsidenten beantragt. Nun muss es darum gehen, die Unabhängigkeit und Integrität des ICC zu schützen.
ZEIT ONLINE: Sehen Sie die in Gefahr?
Ambos: Ja, leider. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass wieder, wie schon einmal unter den Präsidenten Bush junior und Trump, US-Sanktionen gegen den ICC verhängt werden. Da wurden Konten eingefroren, Einreiseverbote gegen Mitglieder des Gerichts ausgesprochen, das ganze Repertoire. Putins Russland hat gleich Haftbefehle gegen die Mitglieder der Kammer verhängt, die den Haftbefehl gegen ihn genehmigt hat. Und dann kann man natürlich auch versuchen, das gesamte Gericht zu treffen, als Institution. Andererseits gibt es auch in Washington genug Leute, die mit Blick auf die Kriegsverbrechen in der Ukraine und in anderen Weltgegenden bremsen würden, die sagen würden, wir brauchen das Gericht noch gegen Putin. Jedenfalls müssen Deutschland und die EU sich gerade jetzt eindeutig zum Internationalen Strafgerichtshof bekennen.
Der erste Satz im Statement des Auswärtigen Amtes ist dieser hier:
Ich kann da keine Delegitimation des ICC herauslesen.